Dienstag, 20. März 2012

Franzi entdeckt Bieleweld...

Wir haben uns mit Franzi auf den Weg gemacht, die Stadt mit Kinderaugen zu sehen. Ergebnis sind fünf spannende Orte, die ein Muss für Kids in Bielefeld sind.
Name: Franziska
Meckelmann, 10 Jahre
Schule: Grundschule Heeperholz
4. Klasse
Hobbys: Handball, Gitarre, Taekwondo,
Schwimmen
Lieblingsevent in Bielefeld: Wackelpeter (Anm.
d. Red.: Großes Kinder- und Familienfest am
Ende der Sommerferien im Ravensberger
Park)
Lieblingstier: Tapir, Hund
m kostenlosen
Heimat-Tierpark Olderdissen
kannst du die vielen Tiere bei jedem
Wetter rund um die Uhr besuchen. Ein
Streichelzoo, ein großer Spielplatz, gemütliche
Gastronomie und Tiere von kleinen
Mäusen bis hin zu den großen Braunbären Max
und Jule - dass alles bietet dir dieses Freizeitvergnügen.
Ein besonderes Highlight ist auch
das neue Wolfsgehege, wo du die Wölfe in
freier Natur erleben kannst.


Franzis Fazit:
„Auf alle Fälle ein
tolles Erlebnis. Meiner
Meinung nach spannender
als ein Zoo, da man auch
Tiere sieht, die hier
zuhause sind.“
Franzi auf dem
Spielplatz im Tierpark
Olderdissen


Im Namu findest
du nicht nur spannende
Ausstellungen. Jeden zweiten
Sonntag im Monat steht
ein spezieller Kindertag auf dem
Programm. Auch Familientage
und Ferienangebote für dich
und deine Freunde dürfen
nicht fehlen.
Franzis Fazit:
„Hier kann man tolle
Dinge über die Natur
erfahren und spannende
Geburtstage
feiern.“

Du
hast die Möglichkeit,
deine Kreativität
in der Kunsthalle
Bielefeld zu entfalten. Spezielle
Familien- und Kinderangebote
machen das möglich und
zeigen, dass Kunst nicht nur
etwas für Erwachsene ist,
sondern auch Kinder
Spaß macht.
Franzis Fazit: „Tolle
Aktionen für Kinder und
Erwachsene, bei denen
jeder seine Inspirationen
miteinbringen kann.“



Das Ishara ist
das größte Erlebnisund
Sportbad der Stadt und
garantiert dir Spaß und Action.
Von rasanten Rutschen, über
ein großes Spielschiff bis hin zu
einem wilden Strömungskanal – da
kommt keine Langeweile auf
Franzis Fazit:
„Es ist toll, dass
für jeden was dabei ist,
während ich mit meinen
Freunden spiele, können
auch meine Eltern entspannen.

Gedankenleser oder über den Versuch, nachträglich klüger zu werden

Synaps ist Synaps, und Dienst ist Dienst - dieses alte Sprichwort trifft auf die Spezies der Hirnforscher
nun gar nicht zu. Synaps ist Dienst bei dieser Art von Wissenschaftlern - und der Dienst an den Synapsen
geht mittlerweile so weit, dass Otto Normalhirni demnächst wahrscheinlich nicht mehr selber denken
muss. Der Hirnforscher nämlich kann Gedankenlesen. Wofür Hexen in der frühen Neuzeit verbrannt
wurden (auch weil die Universitätsabteilungen der Neuroethiker damals wegen fehlenden Bafögs
personell noch sehr dünn ausgestattet waren), bringt heute wissenschaftlichen Ruhm und intersubjektiv
transmissible Ehre, wie wir Anhänger der Elektrostimulation kortikaler Areale vor uns hinsäuseln. Aber
das nur am Rande.

Hirnforscher zapfen also das Hirn an und können mittlerweile feststellen, was der Hirneigentümer so denkt - noch bevor der Hirneigentümer selber weiß, was er denkt. Das funktioniert jetzt aber nicht etwa so, dass studentische Hilfskräfte die 15 Milliarden Nervenzellen im Hirn von Hand durchzählen und protokollieren, was diese so tun - und sich hinterher beklagen, ihr Studium dauere so lange. Keine Bange! Die Aktivität der Neuronen wird von Magnetresonanztomografen aufgezeichnet und von Computern ausgemessen. Das mechanische Gedankenlesen geht deshalb unter dem Stichwort „Neuronenbombe“ in die Wissenschaftsgeschichte ein. Aber das nur am Rande. Denn eigentlich geht es doch darum, den Wunsch eines anonym bleibend wollenden Ex-FHM-Studierenden mal öffentlich in die Runde zu werfen, der vor Beendigung seines Studiums im Vertrauen meinte: Hätte ich doch lieber Architektur studiert.

Ja, Architekten. Wenn man abends aus dem Fenster auf die graue Wand gegenüber schaut und über sein grauenhaft graues Dasein nachdenkt, kann es passieren, dass ein stilvoller Herr sein schwarzes Cabrio vor dem Altbau nebenan parkt und mit einer unfassbar intelligenten und attraktiven Frau im Hauseingang verschwindet. Kurze Zeit später geht das Licht in der beneidenswert geschmackvoll eingerichteten, vollverglasten Dachwohnung an. Ein Architekt, denkt man, bestimmt ein Architekt. Architekt müsste man sein. Was Architekten alles können! Beim Italiener einen Flughafen auf die Serviette kritzeln, zwanzig Millionen Honorar dafür kassieren und mit dem Porsche nach Cannes donnern, wo die Segelyacht liegt, auf der lolloförmig die Freundin liegt. Das können Architekten. Architekten behaupten allerdings, alles sei gar nicht so. Und dass sie arme Designerwürstchen seien, unglücklich bis in beide Zipfel. Sagen, sie bekämen keine Aufträge, nur Magengeschwüre, und am Ende falle ihnen beim nächtlichen Plänezeichnen die Netzhaut
ab, wie es Le Corbusier passiert ist. Außerdem möge sie keiner. „Alles Schwachköpfe“, sagte Flaubert über die Architekten, „vergessen immer die Treppen. “ Trotzdem: Von Bravo nach Traumberufen befragt, antworteten die meisten Jugendlichen „Journalist“, hihi, dann aber gleich „Architekt“. Weit abgeschlagen Ärzte, Börsenmakler, Künstler. Klar: Ärzte gelten als gute Menschen, müssen aber jeden Tag jammernde Leute abtasten und ein Leben in weiß gekachelten Korridoren führen. Börsenmakler verdienen einen Haufen Geld, aber das Image ist einfach vollkommen zerstört. Künstler suchen im Schlamm der Ölfarben sich selbst, sind aber bitterarm, immer verkannt. Will man so leben? Der Architekt verbindet Moral und Moneten, Business und Bohème, ist reich wie ein Broker, kreativ wie ein Künstler, wohltätig wie ein Arzt.

Stars werden neidisch, wenn sie Architekten sehen. Brad Pitt erklärte jüngst, er wolle Landschaftsarchitekt werden, plane eine ganze Siedlung. Bretter-Pitt, der Betonbeau! Angeblich steht die Siedlung bereits. Was will er? Ein Leben führen wie Lothar Matthäus, dem gelernten Raumausstatter, dessen unvergessliche Aussage: „Das wäre dann so in Richtung Innenarchitekt weitergegangen“ eine ganze Branche in Aufwallung gebracht hat? Hmm. Will man wirklich Architekt sein? Nicht doch lieber Prinz? Star? Ach. Hauptsache Milliardär.

Dass Lothar Matthäus („Die Schuhe müssen immer zum Gürtel passen!“) sich in sachter Regelmäßigkeit mit blutjunge Damen vermählt, ist bekannt. Dass er jetzt schon wieder durch die Trennung von seiner jüngsten Ehefrau auffällig wird, wundert einen deshalb nur bedingt. Lothar Matthäus sagt: „Ich brauche noch einige Zeit, um nachzudenken.“ Das ist ein Problem. So viel Zeit haben wir nicht. Zitieren wir deshalb schnell die frühere RTL-Sexpertin Erika Berger, auch schon über 70, die Lothar Matthäus im Küchenpsychologie-
Fachblatt „Das Neue“ folgende Standpauke gehalten hat: „Überlegen Sie, was Sie wirklich wollen. Sie sollten ein Mann mit Verstand werden.“ Geht das? Nachträglich? Okay, man hat ja jetzt auch festgestellt, dass die Strahlung von Mobiltelefonen Mäuse vor Alzheimer schützen und sogar nachträglich heilen können. Und ein Lothar Matthäus telefoniert ja ständig mobil. Vielleicht sind seine Mäuse deshalb nach einiger Zeit immer so nachdenklich geworden. Vielleicht wollten sie sich deshalb auch immer gleich scheiden
lassen. Vor einiger Zeit gab es tatsächlich Menschen in Bielefeld, die ernsthaft erwogen haben, Lothar Matthäus als Trainer bei der Arminia zu installieren. Gott sei Dank, dass dieser Kelch an OWL vorbeizog

Interessant wäre jetzt zu erfahren, ob irgendein Magnetresonanztomograf dieser Erde schon weiß, was der
Schreiber dieser Zeilen noch nicht weiß: wie nämlich diese Glosse enden soll. Einfach so? Ohne Schlusspointe? Das wäre dann ein Fall für die Neuroethiker. Oder für den Presserat? Der Autor könnte auch mal aus Erfahrung nachträglich klüger werden.

mb

Planet Bielefeld

Eine Reise ins Ungewisse. 24 Stunden in der Stadt, vor der ganz Deutschland zittert.

Mit dieser Einstellung steh ich bestimmt nicht alleine da. Viele haben sich schon gefragt, ob Bielefeld nur ein Punkt auf der Landkarte ist, wo komplette Einöde herrscht. Das Bermuda-Dreieck Deutschlands! Die Reise nach Bielefeld lässt mich voller Erwartungen hoffen, was ich gleich zu Gesicht bekomme. Wie sehen dort die Menschen aus? Gibt es dort überhaupt Menschen? Wohnen diese in normalen Häusern? Fragen über Fragen sammeln sich in meinem Kopf. Die einstündige ICE Fahrt von Hannover nach Bielefeld gestaltet sich eher unspektakulär. Nein, ich möchte keinen Kaffee sondern meine Ruhe und nein, neben mir ist auch kein Sitzplatz frei. Schließlich muss ich mich auf Bielefeld vorbereiten und kann keine Ablenkung gebrauchen.

9:10 Uhr Menschen stehen in hektischen Bewegungen auf und gehen Richtung Tür. Mein Blick aus dem ICE-Fenster verrät mir jedoch, dass wir mitten in der Pampa sind und nicht mal ein Bruchteil eines Gebäudes zu sehen ist. Mich durchschießen sofort Gedanken wie: Ist Bielefeld eigentlich
nur Feld, hält der ICE überhaupt an oder muss man bei verminderter Fahrt aus dem Zug springen? Minuten der Angst überkommen mich, ist Bielefeld wie ein schwarzes Loch und lässt einen nicht
mehr heraus? Sollte ich mich noch schnell von Freunden auf Facebook verabschieden und mein Testament kurz posten?

9:19 Uhr Eine Stimme erklingt: „In wenigen Minuten erreichen Sie Bielefeld Hauptbahnhof “. Die angekündigten wenigen Minuten stellten sich als 30 Sekunden heraus. Mit Mühe und Not schaffe ich es, meine Jacke anzuziehen und den hereinströmenden Menschen auszuweichen, um meinen Fuß auf Bielefelder Boden abzustellen. Mein Blick wandert zu der Bahnhofs-Anzeige, um mich noch einmal zu vergewissern, wo ich mich gerade befinde. Und tatsächlich, ich bin in Bielefeld. In Trance wandert mein Blick über die Gleise, sieht eigentlich alles ziemlich normal aus. Nur das arabische Hallenbad neben dem Bahnhof scheint ein
wenig deplatziert. So weit so gut. Die Bielefelder Innenstadt stellt sich als klein, aber gut erreichbar dar. Die Menschen, die durch die Straßen wandern sehen normal und nett aus. Im Gespräch mit einem Bielefelder,
was das Tollste an der Stadt ist, stellt man schnell fest, dass Dr. Oetker auf Platz eins liegt. Dieses internationale Unternehmen verschafft Bielefeld den vermissten Glamour. Geht es um die Architektur so besteht Bielefeld aus Plattenbauten der 70er Jahre, die ihre besten Tage schon lange hinter sich haben.
Den meisten Bielefeldern ist dieses zwar bewusst, aber darauf wird kein großer Wert gelegt.
Ein Bielefelder muss immer wieder betonen, dass Bielefeld zu dem Region OWL gehört. Das macht es zwar für einen Außenstehenden nicht besser, aber anscheinend ist es für einen Bielefelder weltbewegend.
Neben diesen Attributen ist Bielefeld stolz auf seine Sparrenburg, welche so hoch gelegen ist, dass man nach dem Erklingen des Berges ein Sauerstoffzelt braucht. Und der Teutoburger Wald der die Stadt in zwei teilt. Na Mensch. So ein Wald ist schon toll. Jedoch muss man Bielefeld in vielen Sachen loben. Der sogenannte
Kaffee-Strich hat mir den besten Kakao meines Lebens beschert und auch die kulinarische Seite Bielefelds ist sehr lecker. Natürlich muss man Bielefeld auch ein paar Geschmacksverirrungen zugute kommen lassen.

Der sogenannte Pickert stellt auf dem ersten Blick eine Dschungelprüfung dar, jedoch ist dieser sehr wohlschmeckend. Das Bielefelder Nachtleben kann mit Metropolen durchaus mithalten und das
feierwütige Partyvolk kann dazu vieles beitragen. Weggehen in Bielefeld: Ein großes Muss.
Nach insgesamt 24 Stunden verlasse ich Bielefeld und kann schlussendlich sagen. Ja, es gibt Bielefeld und ja, es lohnt sich auch, Bielefeld kennenzulernen. Denn den Höhepunkt überhaupt entdeckt man
direkt am Bahnhof, der junge Herr der die Durchsagen macht hat nicht nur eine außergewöhnliche prägnante Stimme, sondern er sorgt auch dafür, dass man auch bei langen Verspätungen ein Lächeln auf
den Lippen hat. Als ich Bielefeld verlassen will, erklingt seine Stimme um mir mitzuteilen, das
mein ICE wenige Minuten später eintreffen wird, im Hintergrund ist ein jaulender Hund zu hören. Nachdem der Standardsatz für allgemeine Verspätungen erklungen ist, hört man den Hund weiterwinseln,
worauf der Schaffner mit einem stöhnenden „Oh ja, mach weiter“ reagiert. Der ganze Bahnhof erbebt durch
eine Welle des Lachens. Bielefeld ist skurril und ein Mythos und vielleicht auch ein Fall für X-Factor: das
Unfassbare, aber es ist auch bodenständig sympathisch und lieber außergewöhnlich als langweilig. Und langweilig ist Bielefeld bestimmt nicht!

jb
kulturschock.bieleweld.de

Sonntag, 18. März 2012

Der Pickert - Ein Ostwestfälischer Hochgenuss

Der eine oder andere Leser mag sich jetzt fragen, wer oder was ist ein Pickert? Auf der Suche nach Antworten hat sich der Autor dieser Zeilen auf Schatzsuche begeben. Denn als ein regionaler Schatz wird der Pickert von seinen Kennern gepriesen. Fündig wurde ich schließlich im Seekrug am Bielefelder Obersee, einem Restaurant untergebracht in einem wunderschönen, renovierten Bauernhaus aus dem 17. Jahrhundert, das tief verwurzelt mit der Region ist.

Vor vierzehn Jahren entstand dann die Idee den Pickert als regionale Spezialität anzubieten. Doch was ist eigentlich ein Pickert? Heiß dampfend wird eine gold-braune, Pfannkuchen ähnliche Speise serviert. Ich habe mich für die Variante mit Speck entschieden, obwohl mir die Wahl schwer gefallen ist. Denn laut der Speisekarte gibt es unzählige Möglichkeiten einen Pickert zu essen. Die Varianten reichen von dem einfachen Pickert mit Rübenkraut und Butter bis hin zum Westfälischen Pickert Tapas Teller. Es gibt sogar unterschiedliche Teigsorten. Vor mir auf dem Teller liegt ein Lappenpickert mit Speck. Das Grundrezept basiert auf Kartoffeln, Milch, Eiern, Mehl, Salz und Zucker.
Der erste Biss in den Pickert bewahrheitet, was der Geruch schon versprochen hat. Ein runder, voller, ausgeglichener Geschmack mit einer herzhaften Note. Vergnüglich schiebe ich mir direkt die nächste Gabel in den Mund. Auf den Geschmack gekommen und in Probierlaune bestelle ichmmir noch einen Pickert, diesmal einen Lippischen Pickert mit Marmelade. Serviert wird ebenfalls eine Pfannkuchen ähnliche Speise, allerdings ist dieser Pickert deutlich dicker und fluffiger. Auf Nachfrage erklärt sich auch der Unterschied zwischen dem Lappen- und dem Lippischen Pickert: der Lippische Pickert wird mit Hefe gebacken, im Gegensatz dazu wird der Lappen Pickert mit Backpulver hergestellt. Deutlich bei beiden Varianten wird, dass der Pickert ein vielschichtiges Gericht ist. Ob nun süß oder herzhaft, deftig, dem Vorstellungsvermögen
sind keine Grenzen gesetzt. 

Der ganz traditionelle Pickert wird mit Butter bestrichen, worauf Leberwurst kommt und das Ganze mit
Zuckerrübensirup gekrönt wird. Dazu wurde früher entweder Dunkelbier oder Malzkaffee getrunken. Ursprünglich war der Pickert ein „arme-Leute-Essen“. Die ortsansässigen Unternehmen haben früher
sogar vertraglich festgehalten, dass es mindestens eine Pickert- Speise pro Woche für ihre Arbeiter gibt.
So hat sich der Pickert fest in der Region verwurzelt und ist ein Teil der ostwestfälischen Esskultur geworden.






Mittlerweile gut gesättigt bin ich froh darüber auf Schatzsuche gegangen zu sein, denn eins steht für mich fest: der Pickert ist ein ostwestfälischer Hochgenuss und der Seekrug bietet neben dem kulinarischen Vergnügen ein wunderschönes Ambiente, um diesen zu genießen.





cb, sp, ct, aw

Der Intendant des Bielefelder Stadttheaters Michael Heicks im exklusiven Gespräch

Bieleweld: Sie kennen das Bielefelder Theater seit über 10 Jahren. Was war das spannendste Erlebnis, das Sie am Haus oder in der Stadt hatten?
Heicks: Die Wiedereröffnung des Stadttheaters nach dem Umbau. Und am gleichen Tag gewann Arminia Bielefeld zuhause gegen Bayern München!


Bieleweld: Was haben Sie gemacht, bevor Sie zum Bielefelder Stadttheater gekommen sind? Wer oder was hat Sie zum Theater geführt?
Heicks: Zwei Fragen, eine Antwort: Die Regie. Etwas detaillierter heißt das: Studium Schauspiel, später Regie an der Otto-Falckenberg-Schule München. Erste Regiearbeiten in München und Salzburg, vier Jahre Assistent von Jürgen Flimm in Hamburg. Stationen als freier Regisseur waren u.a. Göttingen, Basel, Theater am Neumarkt Zürich, Thalia Theater Hamburg.

Bieleweld: Was mögen Sie an Ihrem Job am meisten?
Heicks: Inszenieren.

Bieleweld: Was finden Sie am nervigsten?
Heicks: Rechnen.

Bieleweld: Was mögen Sie an Bielefelder und Bielefeld am meisten? Was geht Ihnen immer noch auf die Nerven?
Heicks: Bielefeld – die kleine Großstadt. –- Dass es keinen Fluss gibt.

Bieleweld: Können Sie schon verraten, was Bielefeld in der nächsten Spielzeit erwarten kann?
Heicks: Erfolg! - Was sich dahinter verbirgt? Nun, seit dieser Woche ist der Spielplan 2012/2013 offiziell (in
der Presse und auf unserer Internetseite zu entdecken). Und natürlich dürfen die Bielefelder sich wieder auf ein spannendes Programm aller Sparten freuen!

Bieleweld: Gab es eine Lieblingsspielzeit am Bielefelder Haus?
Heicks: Die Eröffnungsspielzeit war schon etwas Besonderes!

Bieleweld: Sie haben gerade Ihren Vertrag verlängert und sind jetzt mindestens bis 2017 in Bielefeld. Wollen Sie die Stadt noch einmal verlassen oder können Sie sich vorstellen, in Ostwestfalen alt zu werden?
Heicks: Das werden wir mal sehen…


jb,cb,bs, jw

Dienstag, 13. März 2012

„Wir sind nicht das Bayern München der 3. Liga!“

Geschäftsführer Marcus Uhlig blickt im BIELEWELD-Gespräch in die Zukunft der Arminia
Zur Person: Marcus Uhlig, geboren am 22.02.1971 in Kamp- Lintfort. Als Gründer und Leiter der PR-Agentur medienbüro
24/7 war der studierte Jurist bereits als externer Dienstleister (u.a. das Stadionmagazin HALBVIER) für die Arminia tätig.
Im August 2009 übernahm Uhlig das Amt des Pressesprechers, im Mai 2011 das des Teammanagers beim DSC und                                                     seit September 2011 ist er der neue Geschäftsführer des Klubs.
Gerade einmal drei Jahre ist es her, da spielte der DSC Arminia Bielefeld in der heimischen SchücoArena noch gegen Mannschaften wie Bayern München oder Borussia Dortmund. Doch nach dem Abstieg aus der Bundesliga im Jahre 2009 durchlebte der ostwestfälische Traditionsklub schwierige Zeiten. Bereits in der zweiten Zweitliga-Saison folgte der bittere Gang in die Drittklassigkeit. Neben der sportlichen Talfahrt fand speziell die finanzielle Lage immer wieder ihren Weg in die Schlagzeilen. Nur äußerst knapp konnte die Insolvenz und das damit wohl gleichzeitig besiegelte Ende des Vereins verhindert werden. Nach hektischen Jahren, geprägt von Skandalen, personellen Umbrüchen und finanzieller Not, blickt man nun wieder positiv in Richtung Zukunft. Auch sportlich hat sich das Team, nach katastrophalem Saisonstart (bis zum 16. Spieltag stand man auf einem Abstiegsplatz), gefangen. Derzeit steht man in der 3. Liga auf einem gesicherten Mittelfeldplatz. Zudem erteilte die Deutsche Fußball Liga (DFL) den Bielefeldern gerade erst die Lizenz bis zum Ende der laufenden Spielzeit. Wir sprachen mit dem neuen Geschäftsführer
Marcus Uhlig über die Ziele und Wünsche des DSC sowie seinen persönlichen Werdegang während der vergangenen Monate.

Arminia Bielefeld hat turbulente Zeiten hinter sich. Derzeit scheint der Verein aber zur Ruhe gefunden zu haben. Stimmt diese Beobachtung und wie sieht die aktuelle Situation konkret
aus – sowohl sportlich als auch finanziell?
Uhlig: Arminia Bielefeld hat in der Tat zur Ruhe gefunden, das stimmt. Ich denke, dass die Häufigkeit der negativen Schlagzeilen zunächst mal vorbei ist. Parallel dazu ist sicherlich eine Verbesserung der sportlichen Situation eingetreten. Nur diese Tatsache heißt ja nicht automatisch, dass wir alle Probleme beseitigt haben. Wir befinden uns nach wie vor in einer wirtschaftlich schwierigen Situation. Doch ich glaube mit insgesamt mehr Frieden rund um den Verein lassen sich diese Probleme einfacher bearbeiten.

Welche konkreten Maßnahmen – gerade finanziell – sind da noch zu leisten?
Uhlig: (lacht) Ich glaube die alle aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Interviews deutlich sprengen. Wir
befinden uns mitten im absoluten Konsolidierungskurs. Da ist noch jede Menge zu erledigen. Zum Beispiel gilt es nach wie vor die Stadiongesellschaft, die wir gegründet haben, zu aktivieren und so auf den Weg zu bringen, dass sie funktioniert. 

Wo steht Arminia Bielefeld also im Jahre 2012?
Uhlig: Die Wahrnehmung vieler Menschen ist ja immer noch: Arminia Bielefeld der große Verein, da muss
doch Geld vorhanden sein oder locker gemacht werden können, um mal wieder anzugreifen. Doch diese Leute gehen von falschen Vorraussetzungen aus. Insbesondere die letzten zweieinhalb Jahre waren ein absoluter Tanz auf der Rasierklinge. Wir sind nicht das Bayern München der 3. Liga, ganz und gar nicht. Wir sind dem Tod in der jüngsten Vergangenheit mehrfach nur knapp von der Schippe gesprungen. Wir versuchen hier mit einem sehr kleinen Team den Verein einerseits wirtschaftlich zu festigen, ihm andererseits aber auch eine vernünftige, sportliche Perspektive zu geben. Das dauert aber. Es gibt nun mal kein Naturgesetz, nach dem wir in der neuen Saison automatisch Aufstiegsfavorit werden.

Als Außenstehender bekommt man auch den Eindruck, dass der Verein gewillt ist Dinge zu ändern, die lange schlecht gelaufen sind und in die Zukunft zu schauen.
Uhlig: Aber das ist nicht so einfach, weil da natürlich auch unterschiedlichen Interessen zu beachten sind. Bei
Arminia Bielefeld wird sich aber auch in der nahen Zukunft noch mal einiges ändern. Wir müssen uns insgesamt neu aufstellen. Die nächsten Jahre werden ganz harte Arbeit. Und die schaffen wir auch nicht alleine. Wenn die Region möchte, dass Arminia wieder das Aushängeschild wird, dann brauchen wir
die Unterstützung von allen. Nur so hat Arminia eine Chance zu überleben.



Was muss demnach passieren?
Uhlig: Wir müssen aufhören immer wieder negativ zurückzuschauen und anzuführen, was alles schlecht gelaufen ist. Das mache ich auch nicht. Ich finde, an manchen Stellen muss einfach ein Schlussstrich gezogen und nach vorne geschaut werden. Aber noch mal, es reicht nicht, wenn nur wir alleine das tun. Da müssen alle mithelfen! 

Nun zum Sportlichen. Wo soll es mit dem DSC in der nahen Zukunft aber auch längerfristig hingehen? Was sind realistische Ziele?
Uhlig: Ich glaube, viele haben nach der sportlichen Wiederauferstehung in dieser Saison schon wieder
angefangen vom direkten Aufstieg in die 2. Bundesliga zu träumen. Die jüngsten Ergebnisse haben da aber sicherlich einige wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Das wäre sicherlich auch
ein sehr, sehr, sehr, sehr, sehr ambitioniertes Ziel. Wir sollten insgesamt bei Arminia Bielefeld einfach aufhören zu träumen. Realistisch ist, dass wir diese Saison mit einem Mittelfeldplatz abschließen.
Für die kommende Saison gilt es, das Kunststück hinzukriegen, sowohl weitere Einsparpotenziale zu generieren, als auch unser Herzstück - die Profimannschaft – so aufzustellen, dass sie wieder einen kleinen Schritt nach vorne machen kann. Wir werden für das kommende Jahr sicher nicht den Aufstieg als Ziel ausgeben. Das wäre zum jetzigen Zeitpunkt sicherlich vermessen. Andererseits muss es für den DSC ein mittelfristiges Ziel sein wieder in die 2. Liga zurückzukehren.

Wie sehen denn die Planungen für die kommende Saison aus? Gibt es schon eine Tendenz, ob die Leistungsträger gehalten werden können oder Verstärkungen in Aussicht sind?
Uhlig: Welche Schrauben wir für die neue Spielzeit drehen, kann man jetzt noch nicht sagen. Dafür ist es noch zu früh. Fakt ist, dass das Gerüst der Mannschaft steht und diese Spieler auch alle Verträge über die Saison hinaus besitzen. Wir versuchen, wie schon eben gesagt, die Mannschaft stückweise zu verbessern.

Der Trainerwechsel zum Ende des vergangenen Jahres brachte die sportliche Wende. Wie groß ist der tatsächliche Anteil vom neuen Coach Stefan Krämer am Aufschwung? Was hat er geändert bzw. was lief vorher vielleicht auch falsch?
Uhlig: Puuh, eine schwierige Frage. Stefan Krämer hat es einfach mit seiner Art geschafft. Er trifft den richtigen Ton und erreicht damit die Jungs. Stefan ist ein absoluter Vollbluttrainer, der an die ganze Geschichte unvoreingenommen und unverkrampft rangeht. Natürlich mit dem nötigen Ernst aber
eben auch mit der richtigen Portion Lockerheit. Was aber nicht heißen soll, dass sein Vorgänger Markus von
Ahlen ein schlechter Trainer ist. Da kam zu Beginn der Spielzeit sicherlich auch viel Negatives zusammen. Wir mussten im Prinzip eine komplett neue Mannschaft zusammenstellen. So was braucht eben seine Zeit.
Man kann zudem wahrlich nicht behaupten, Markus hätte Glück im Hinblick auf Verletzungen und Sperren von Leistungsträgern gehabt. Wir hatten in einigen Spielen, so banal sich das anhören mag, einfach Pech. So kam eben eins zum anderen. Der Mannschaft fehlte einfach mal ein Befreiungsschlag.


Doch dieser blieb aus. Stattdessen folgte am 17. September die 0:4-Heimniederlage gegen Saarbrücken
Uhlig: Ja, nach dem Saarbrücken-Spiel beschlossen wir, dass sich etwas verändern muss und haben uns dann schweren Herzens von Markus getrennt.

Was brachte anschließend den Umschwung?
Uhlig: Es kam sicherlich begünstigend hinzu, dass wir dank einiger Spielabsagen und eines spielfreien Wochenendes mehr Zeit bis zur nächsten Partie besaßen. Dadurch konnte sich die Mannschaft mit der neuen Konstellation natürlich gezielter einspielen. Dann folgte das ominöse Spiel in Offenbach. Da hat Stefan Krämer es in der Tat geschafft, die Mannschaft optimal einzustellen und vorzubereiten. So haben wir nicht nur 90 Minuten lang den Gegner dominiert, sondern uns endlich mal für die Mühen belohnt (Anm. d. Red. Arminia gewann mit 1:0, durch ein Tor von Marc Rzatkowski in der 82. Minute). Es folgte das, was im Fußball so oft passiert. Die Truppe hatte endlich mal ihr Erfolgserlebnis und spielte ab da befreit auf.

Kommen wir zu deiner Person. Du bist jetzt seit September 2011 Geschäftsführer. Wie ist es zu dieser – zumindest für Außenstehende – doch recht ungewöhnlichen Personalentscheidung
(vom Pressesprecher zum Geschäftsführer) gekommen?

Uhlig: Wenn ich das mal wüsste!? (lacht). Gut, die Situation im August 2011 war die, dass sich der Verein vom damaligen Geschäftsführer Ralf Schnitzmeier aus den bekannten Gründen getrennt hat. (Anm. d. Red. Gegen Schnitzmeier wurde Strafbefehl wegen Körperverletzung und Beleidigung während eines privaten Bordellbesuchs erlassen). Da ging es uns allen erstmal darum, die operative Handlungsfähigkeit nicht zu verlieren bzw. wieder herzustellen. Schließlich bin ich gefragt worden, ob ich mir das - zunächst übergangsweise - vorstellen könnte und habe natürlich zugesagt. Ich bin ja nun schon lange dabei und habe mitbekommen, wie es hinter den Kulissen und im administrativen Bereich zugeht.Daher habe ich mir diese Aufgabe zugetraut.

Also gab es keine großen Eingewöhnungsschwierigkeiten im neuen Job?
Uhlig: Durch die neue Gremienkonstellation, sprich dem neuen Vorstand, Aufsichts- und Wirtschaftsrat
hatte und habe ich das Gefühl, dass endlich alle Gremien ausschließlich zum Wohle des Vereins,leidenschaftlich in eine Richtung arbeiten. Dadurch fühle ich mich natürlich auch ein Stück
weit sicherer. Die tägliche Arbeit bestätigt das. Wir haben da ein echt gutes Team, welches den Verein jetzt leitet. Speziell mit dem neuen Präsidium funktioniert die Zusammenarbeit ausgezeichnet. Wir hatten hier ja auch ganz andere Zeiten. Stichwort: Maulwurfaffäre. Als irgendwelche Gremiensitzungen
noch nicht ganz zu Ende waren und die ersten Inhalte bereits im Internet standen. Diese Zeiten sind Gott sei
Dank vorbei. Man sollte aber weniger darauf anspielen, welche Posten ich vorher innehatte. Klar liest sich das erst einmal ungewöhnlich. Aber durch die Tätigkeiten als Pressesprecher und Teammanager hatte ich bereits vorher einen guten Einblick in den sportlichen und administrativen Bereich.

Das klingt danach, dass du jetzt doch Geschäftsführer bleibst. Oder ist man weiterhin auf der Suche nach einem Nachfolger?
Uhlig: Nein, derzeit wird kein neuer Geschäftsführer gesucht. Ich mache die Sache jetzt seit einem halben Jahr, von daher glaube ich, kann man die Vokabel „interim“ streichen. Den Bereich Teammanagement haben wir jetzt anders organisiert, so dass ich mich wirklich schwerpunktmäßig auf das Thema „Geschäftsführung“ und ein Stück weit noch auf die Pressearbeit konzentrieren kann.
Du bist also nebenbei weiterhin noch Pressesprecher? 
Uhlig: Ich bin nach wie vor verantwortlich für den Bereich Medien und Kommunikation. Mit unserem Volontär Tim Placke haben wir da aber eine praktische Lösung gefunden. Er kümmert sich jetzt um die vielen organisatorischen Dinge im Alltag.

Wie hat sich der neue Posten auf deine Arbeit ausgewirkt? Gehen Journalisten und Spieler nun anders mit dir um?
Uhlig: Eigentlich habe ich immer ein sehr kollegiales und mehr als gutes Verhältnis sowohl intern zu unseren Spielern, als auch extern zu den Journalisten gepflegt. Dass es durch die neue Jobkonstellation nicht immer einfach sein wird, dies beizubehalten, liegt natürlich auf der Hand. Aber ich bemühe mich und würde es mir auch wünschen, wenn dieses gute Miteinander nicht verloren ginge. Und ich glaube, dass muss es auch gar nicht. Vielleicht gab es den einen oder anderen Vorgänger von mir, der nicht immer das beste Verhältnis zu
den Medien hatte. Ich kann mir bisher jedenfalls nicht erklären, warum man sich als Geschäftsführer nicht auch mit den Journalisten gut stellen kann.
yb

Na dann: Cheers

Letztendlich sind wir alle die Opfer unserer Errungenschaften. Doch hat jede Kultur andere Vorstellungen davon, was sie als Errungenschaft gelten lässt. Beispielsweise gibt es Moslems, die bereit wären ihr letztes Hemd zu opfern, um einmal nach Mekka zu pilgern, während der Nationalstolz unzähliger Engländer auf ein lange zurückliegendes Tor gebaut zu sein scheint – was dann noch nicht mal eines war.

Die Subkultur der harten Trinker, die nach ihren eigenen Regeln und Idealen lebt, bildet da natürlich keine Ausnahme. Jedoch hat sie es vorgezogen, diese Ideale so zu gestalten, dass sie von der Leitkultur als unbotmäßig, ja bisweilen gesetzeswidrig sanktioniert werden. Vielleicht ist dies der Grund, warum das Cheers in den Augen der Bielefelder Leitkultur als – nasagenwirmal – schlecht beleumundet gilt.

Zumindest ist das so laut Angie, die bisher sieben ihrer 44 Lebensjahre hinter der Theke des Cheers verbracht hat und den Ruf ihrer Arbeitsstätte gut mit der allabendlichen Realität in Bezug setzen kann. „Es stimmt schon“, sagt die Frau mit blondierter Kurzhaarfrisur, „wir haben hier ein anderes Publikum als andere Läden, das wirkt für Außenstehende manchmal befremdlich!“ Zu den Errungenschaften dieses Publikums zählt neben einer entspannten Grundhaltung zum Thema Alkoholkonsum auch äußerste formale Knappheit in der Bestellkommunikation: „Eeeey, manomma zwei Pils!“ schallt es aus einer im Halbdunkel verborgenen Sitzecke. Oder sollte man sagen „lallt es“? Denn dafür, dass das Cheers erst vor einer knappen halben Stunde – also um 24 Uhr – geöffnet hat, sind die beiden Freunde des Frischgezapften schon gut bedient. „Es ist Monatsanfang, da trinken unsere Gäste gerne und viel, das Geld sitzt halt noch locker“ erklärt Angie, während sie die Luft aus zwei Gläsern raus- und frisches Hasseröder reinlässt.

Manchmal führt das dann zu unschönen Szenen: Nachdem ein Gast sich unlängst mit einer Flasche Mariacron an den Rand einer Alkoholvergiftung gesoffen hatte, schlief er mit dem Kopf auf der Tischplatte ein, was für das Cheers noch kein ungewöhnliches Verhalten ist. Allein: als der Weinbrandafficionado erwachte, stand er auf, ging in eine Ecke der Garderobe und ließ dort einem zutiefst menschlichen Bedürfnis, nun: freien Lauf. Angie: „Ich geh natürlich hin und brüll den an, ob er noch alle Tassen im Schrank hat, da sagt der nur: Entschuldigung, ich dachte, ich wäre zuhause!“ Was die Sache natürlich nicht unbedingt besser macht. Von solchen Zwischenfällen abgesehen, kommt die resolute Schankkraft mit ihrer Stammklientel aber bestens zurecht: „Ich habe mir in den sieben Jahren, die ich hier bin, Respekt verschafft. Anders könnte ich den Job auch nicht machen!“ Inzwischen liebt sie das Cheers und seine Gäste, auch wenn der rustikale Tonfall ihr zunächst befremdlich vorkam. „Mit der Zeit biegt man sich seine Kunden aber zurecht und gewöhnt sich an vieles“ sagt sie und ergänzt, dass viele der Stammgäste inzwischen fast sowas wie eine Familie für sie geworden sind: Da gehe es ja auch oft etwas ruppig zu, aber im Grunde mag und respektiert man sich.

Trotzdem seien an den Wochenenden Türsteher da, vordergründig, um Zechpreller am verrichten ihrer Tätigkeit zu hindern oder um Schlägereien zu unterbinden. „Davon gibt es schon mal welche“ räumt Angie ein, „meistens geht es um Kleinigkeiten. Wenn einer sich schief angeguckt fühlt oder der Spielautomat an einem Abend das Monatseinkommen geschluckt hat“. Dann gebe es schon mal Stress – der aber meistens schnell beigelegt ist. Niemals die Faust erheben würde G., der an der Stirnseite der Theke das Geschehen im Lokal wohlwollend verfolgt und dabei ein nicht enden wollender Quell von Meinungen und Eischätzungen zum Leben im Allgemeinen und dem im Bielefeld im Besonderen ist. Er kommt seit rund 15 Jahren ins Cheers, das damals noch „Schatulle“ hieß. Bei so viel Treue ist gutes Benehmen Ehrensache, und so stören ihn vor allem Gelegenheitsgäste aus den umliegenden Discotheken. „Die kommen hier rotzbesoffen rein, machen einen auf dicke Hose, lärmen rum und fangen dann an zu diskutieren, wenn sie ihren Deckel nicht bezahlen können!“ Deswegen meidet der etwa fünfvierzigjährige Vollbartliebhaber an den Wochenenden seinen „Stammbetrieb“. Was den Laden für ihn davon ab so besonders macht? „Das Cheers kann man nicht erklären, das muss man erlebt haben!“

Mit dem Erleben ist es für eine sichtbar angezählte Rothaarige grade vorbeigegangen. Ihr Verhalten – regelmäßiges Aufsuchen der Toilette in kurzen Intervallen und in Begleitung ihres Bierglases – hatte bei Angie schon für leichtes Kopfschütteln gesorgt. Als die Dame, deren Äußeres die Annahme evoziert, dass sie Nabokov hauptsächlich für eine Vodkamarke hält, jedoch anfing, ihre Bestellungen mit undruckbaren Umschreibungen für das weibliche Geschlecht zu untermauern, wurde es der resoluten Kellnerin zu bunt: für die heutige Nacht ist die Rothaarige im Cheers nicht mehr erwünscht. Immerhin ist so verhindert, dass sie noch an der Stange tanzt, die für solipsistische Burlesqueeinlagen zwischen Decke und Tanzpodest gedübelt wurde. Wird gar nicht so selten genutzt, merkt Angie mit breitem Grinsen an, möchte sich zur Qualität der gebotenen Tanzeinlagen aber lieber nicht äußern. „So um vier, fünf Uhr, da geht es eigentlich erst los mit solchen Aktionen“. Jetzt ist es kurz vor Eins.

Eintretend nun Ivonne, mit langem Haar und suchenden Augen zunächst unschlüssig im Raum stehend, dann aber mit offenem Blick auf die Theke zusteuernd. Sich auf dem Barhocker fallen lassen und ein Alt bestellen sind eines, mit beinahe wissenschaftlicher Sorgfalt ihre Unterlagen sortieren ein weiteres. Immer wieder den Blick durch den Raum wandern lassend, schreibt die brünette Dreißigjährige wie’s scheint zusammenhanglos auf einen Ringblock, streicht durch, murmelt kopfschüttelnd in sich rein und schreibt weiter. „Beobachtungen. Ich beobachte und schreibe auf!“ entgegnet sie auf die Frage, was sie da festhalte. Zu welchem Zweck? „Privat. Rein privat. Uns entgeht so vieles, wir leben schnell und unbedacht, darum schreibe ich auf!“ Sie zieht mehrmals die Woche nachts durch Bielefeld, von Kneipe zu Kneipe, immer auf der Suche nach Dingen, die sie protokollieren kann. Eigentlich kam sie nach Bielefeld, um zu studieren, aber das hat sie nach einigen Jahren aufgegeben. Über die Gründe möchte sie sich nicht äußern, nur soviel: „Seit ich die Stadt beobachte, habe ich das Gefühl, mich wirklich wichtigen Dingen zu widmen!“ Wie etwa ihrem zweiten Alt.

Indes erforschen die Herren am anderen Ende der Theke weiter mit größtmöglicher Sorgfalt die Wirkung von Alkohol auf den männlichen Körper. Mir Ergebnissen rechnen sie nicht vor dem Morgen. Ihre Versuchsreihe unterbrechen sie lediglich mit gelegentlichen Ausflügen in die virtuelle Welt des drucktastergesteuerten Glücksspiels. Offenbar – „Die blöde Kiste taugt auch nix!“ – ohne den erhofften Erfolg. Um Schaden von ihrem Inventar abzuwenden, spendiert Angie zwei Kurze: „Der geht auf’s Haus, dann ist Feierabend!“ Keine schlechte Idee!

Wir verlassen das Cheers, als am Himmel die vage Ahnung eines neuen Tages erscheint. G. hatte Recht, erklären kann man den Laden nicht. Aber ihn manchmal zu erleben kann durchaus unterhaltsam sein. Manchmal!
sb, es